Warum ich wieder Christ wurde

 

Ich bin aufgewachsen in einem christlichen Elternhaus, aber meine Eltern waren der Ansicht, dass man Schläge einsetzen sollte, wenn Worte nicht mehr helfen. Bei mir halfen ihre Worte oft wenig und so gab es reichlich Schläge, das tat weh und machte es mir leicht von dem Glauben mich ab zu wenden, den sie mich gelehrt hatten.

Eines Tages schleppte ich ein dickes schwarzes schweres Buch von der Schulbibliothek nach Hause. Schriften von Schopenhauer.

Es war ein Schock:  Mein Glaube war ein Kinderglaube, eine Illusion, ein Märchen, das sich die Menschen erzählten, um besser schlafen zu können, und um die Wahrheit nicht zu sehen, die lautete, wir sind geboren aus Nichts und fallen zurück in Nichts. Alles andere ist

Selbstbetrug. Wir tanzen über dem Abgrund und jeden Moment könnten wir fallen in dieses Bodenlose Nichts. Ich taumelte. Ich war getroffen und fiel. Diese Worte klangen wie die Wahrheit. Es war hart und trostlos, aber besser trostlos und verzweifelt sein als sich in bequemer Lüge behaglich einzurichten. Ich malte Bilder mit schwarzen Flecken, Rissen wie Wunden, als ob die Oberfläche zerrissen sei und dahinter das Nichts.

Ich war sechzehn. Später kam die Lektüre von Nietzsche, der mich lehrte, dass ich

Kind einer Sklavenmoral war, die mich mein sklavisches, devotes, konventionell braves Leben besser erdulden liess. Also wollte ich leben wild und gefährlich und war doch nur ein Stotterer, dem die Nähe eines hübschen Mädchens Schweißausbrüche und einen hochroten Kopf verursachte.

Aber das sollte sich bald ändern. Ich widmete viele Jahre meines Lebens nur dem einen Ziel, möglichst vielen Frauen nahe zu kommen. Und wurde im Laufe der Zeit und mit täglicher Übung ein Meister in dieser Kunst. Oder ich sollte besser sagen, ein Meister in diesem Irrweg, diesem Irrsinn. Und ich wanderte durch viele verschiedenen politischen und religiöse Weltanschauengen, von den Kommunisten zu den Anarchisten und dann zu den Buddhisten und zu einer Sekte, die Bhagwan-Sekte genannt wurde, vom Stern die Sex-Sekte genannt.

Dort fühlte ich mich ganz wie zu Hause. Nach dem Tod des Meisters verblasste aber auch für mich die Anziehung dieser Bewegung. Bei all meinen Wanderungen und Irrungen hatte ich doch immer merkwürdiger weise ein Gefühl, als ob da jemand sei, der mich trägt in seiner grossen Hand, so dass ich nicht ins Bodenlose falle.

Dann war ich ein paar Jahre Mitglied einer esoterischen Gruppe, die sich als ein Kreis von Lichtarbeitern verstand. Wir wollten die Welt von negativen Energien befreien durch unsere Rituale und Gebete. Ausserdem lernten wir noch ein bisschen zaubern. Die Gruppe löst sich von selbst in hysterischem Chaos auf und dann kam vor ungefähr drei Jahren ein Anruf, der mein Leben veränderte. Ein Freund sagte, er habe eine gute Story für mich, irgend ein Skandal in der Altenpflege. Ich war zu der Zeit als Rundfunkjounalist tätig. Die Story war ein noch recht junger Mann, den ich, um seine Anonymität zu schützen,  Demian nenne.

Demian war Geschäftsführer einer Autofirma gewesen, der schnelle Autos, Drogen und Frauen liebte. Er war nach einem schweren Unfall aus seinem gewohnten Leben hinauskatapultiert worden, war dadurch aber auf sich selbst zurück gefallen und hatte einen radikalen Bruch vollzogen. Er machte über drei Jahre eine Ausbildung zum examinierten Altenpfleger.

Er sagte, er habe erkannt, das wichtigste im Leben sei., lieben zu lernen. Er wolle sich um Menschen kümmern, die Hilfe am nötigsten brauchen, um Alte, Kranke und Schwache.

Mir war das alles ganz und gar zuwider am Anfang, aber Schritt für Schritt eröffnete er mir eine neue Welt. Die eigentlich meine alte war: Die Bibel, unsere Überlieferung und ich entdeckte, dass da ein Schatz brach lag. Ich entdeckte, dass wir eine ziemlich genaue Beschreibung haben von dem, der mich hielt in seiner Hand.

Und seitdem weine ich des öfteren, weil ich mich fühle wie jemand, der wieder nach Hause gekommen ist und dort sich geliebt fühlt.

Ich lebe seit über einem Jahr in China. Und das ist in Deutschland gar nicht bekannt, es gibt mehr Christen in China als in Deutschland, nämlich um die 100 Millionen und die Zahl wächst, chinesische Kirchen sind voll….Es gibt eine staatliche und eine so genannte Untergrundkirchen aber das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls ist meine chinesische Freundin eine Christin. Und wir lesen regelmässig die Bibel zusammen und reden darüber…

Am meisten berührt mich die Geschichte vom verlorenen Sohn.  Der ältere Bruder ist sauer und neidisch, als er sieht, wie sehr sich der Vater freut, dass der Sohn der so lange verloren umher geirrt war, zurück gekommen ist. Der älteste war immer zu Hause, war ordentlich und brav, hat alle Gesetze befolgt, der Vater hat zwar dem Sohn immer seine Liebe und Fürsorge gezeigt, aber er hat für ihn nie ein Fest gemacht, und alle Bekannte und Freunde eingeladen und ein Lamm geschlachtet und Wein auf den Tisch gestellt und den Sohn unter Tränen umarmt…..

Und der Vater sagt zu ihm, dem Ältesten:  Der Hirt freut sich über ein Schaf, das verloren war und das er wieder gefunden hat mehr als über all die hunderte andere die er schon hat in seiner Herde, das ist einfach ganz natürlich.

Und von daher gesehen war das doch eine ganz gute Idee, mal wegzulaufen…oder?


Freiburg, Okt. 2007